Nordkurier, 25.06.12

Mit Bachs Goldberg-Variationen für Streichtrio bot das Trio Echnaton bei den Festspielen MV eine hochinteressante Aufführung.

NEUDROSEDOW
Für manche Anhängerder Festspiele Mecklenburg-Vorpommern mag derProgrammvergleich zwischen Festspielen und Fußball-EM eine„Zerreiß“-Probe sein. Doch Festspiele-Intendant Dr. Matthias von Hülsen schafft Abhilfe und bringt beides zusammen, damit sich niemand zerreißen muss. Am Freitagabend war nicht nur das Konzert des Trios Echnaton in der Scheune des Gutshofes in Neu Drosedow ganz im Süden des Landes angesetzt, sondern auch das Viertelfinalspiel Deutschland-Griechenland in Danzig. Deshalb richtete von Hülsen auch in Neu Drosedow eine Möglichkeit für „Public Viewing“ ein.

Auf dem Programm standen zwei selten gespielte Stücke. Zunächst das Streichtrio D-Dur des Russen Sergej Tanejew. Der Komponist gehörte einer Zwischengeneration an: er war Schüler von Tschaikowsky und später Lehrer von Rachmaninow und Skrjabin. Auch seine Musik bewegt sich auf der Bahn von russischer Romantik hin in Richtung Moderne. Manchmal ist sie streng kontrapunktisch gedacht, kann aber auch die großen romantischen Gesten aufgreifen.

Das Trio Echnaton, das bereits 2002 den Ensemblepreis der Festspiele gewann, gehört nicht zu den furiosen Ensembles. In seinen Interpretationen werden die Emotionen nicht entfesselt, sondern intellektuell durchdacht gesteuert. Dabei bekommen die an Tschaikowsky erinnernden Passagen durchaus einen vollen Klang und vehemente Gestalt, doch fasziniert noch mehr das feinsinnigeRaffinement. Was zusammengehen soll, geht perfekt zusammen. Spielen die Musiker aber das gleiche Motiv nacheinander, so werden feinste Differenzen zwischen den Spielern in Artikulation, Tongebung und Agogik hörbar, die den Stimmen eine besondere Individualität verleihen, über die Unterschiede in den Klangfarben der drei Instrumente hinaus. Dieses raffinierte Spiel kam dem zweiten Werk des Abends zugute: Bachs Goldberg-Variationen in der Fassung für Streichtrio des russischen Geigers und Dirigenten Dmitri Sitkowetski.

Die Individualität der Instrumentalstimmen, aber auch ihre Modulationsfähigkeit auf langen Tönen besonders in den Kanons, können dem Zuhörer eine weitaus differenziertere Vorstellung von der polyphonen Kunst Bachs vermitteln, als dies mit dem dynamischen und farblichen Gleichklang des Cembalotons möglichist. Die Sensibilität und das Spannungsvermögen der Musiker machten die Aufführung zu einem faszinierenden Hörerlebnis!

Von Michael Baumgart